Wenn aus Newbies plötzlich „Kap-Horner” werden: ein Erfahrungsbericht vom OSYC-Segeltrimmtraining in Biograd na moru.
Es gibt diesen besonderen Moment, in dem du spürst, wie dein Boot aufatmet und „Danke” sagt. Dann gurgelt das Wasser auf diese unvergleichliche Weise am Rumpf entlang, das Schiff zieht an deinen Fußsohlen, das Boot läuft — und das, obwohl ja eigentlich fast gar kein Wind weht?
Genau das geschah an einem sonnigen Maitag in der kroatischen Adria, als unsere kleine OSYC-Crew nach höchst ambitioniertem Zupfen und Ziehen der Schoten, holepunkteringend plötzlich diese magische Verwandlung erlebte: Die First 36 „January” zog durchs Wasser, als hätte jemand einen verborgenen Turbo entdeckt.
Was heißt da „hätte”? Hatten wir. Wo dieser — und noch ein paar weitere — Turbos im Boot versteckt sind, verriet uns niemand geringerer als „Dr. Trimm”, Regatta-Crack Markus Schöbinger beim OSYC-Segeltrimmtraining von 24. bis 27. Mai mit einer Ruhe, die ihresgleichen sucht.
Luxusstart mit Kabinenlotto
Samstag. 16 Uhr. Marina. Bootsübernahme. Auftakt standesgemäß mit einem Glücksspiel: Während Trainee Harry Vogler bereits eine der achterlichen Kabinen bezogen hatte, entschied zwischen Matthias Zimmermann und mir eine Runde „Schere, Stein, Papier” über die begehrte „Prinzessinnensuite” im Bug. Meine Wahl von „Papier” sollte sich als taktischer Fehler erweisen… Immerhin: Durch die freiwillige nächtliche Abwesenheit von Crewmitgliedern an Bord (Edith und Roland Weiser schliefen im Wohnmobil, Renate, Markus’ Ehefrau, an Land) genoss jeder der Verbleibenden den Luxus einer Einzelkabine.
Aber die abendlichen Highlights waren ohnehin das gemütliche Beisammensein in den Konobas bei herrlichen Fischplatten, köstlichen Sardinen, Lamm-Peka (!) und jeder Menge Austausch über die Erfahrungen, die wir auf dem Wasser gesammelt hatten. Dass die Restaurants so perfekt waren – dafür gebührt Renate die Auszeichnung zum „Konoba-Guide erster Klasse“! Sie war es nämlich, die die Lokale recherchierte, während wir uns auf dem Meer einen seewölfischen Appetit antrainierten.
Der Trimmfaden: Aufzucht und Pflege
Sonntagmorgen. Theoriestunde beim Frühstück im Cockpit der „January”. Dr. Trimm erklärt, was die Luft so treibt, wenn sie am Segel entlangfließt. Ich komme mir relativ schnell ziemlich g’scheit vor. Damit ich nicht abheb, geht’s jetzt in die Praxis. Draußen hats Böen bis 20 Knoten. Wir lernen die Feinheiten der weißen Segel kennen. Dass diese in unserem Fall dunkelgrau waren, tut nichts zur Sache. Im Gegensatz zu den Trimmfäden. Die bedeuten die Welt. Und im Praxiseinsatz bin ich nicht mehr ganz so gscheit:
Ich (aufgeregt): Skip, die unteren Luvfäden meiner Genua hängen nach unten!
Markus (ruhig): Dann fier das Segel.
Okay… jetzt spinnen aber die oberen Luvfäden!
Dann gib der Genua mehr Twist.
Hä?
Holepunkt nach achtern …
Sekunderl… ah … geil!
Spätestens jetzt fühle ich mich bereit für die Vendée Globe! Moment. Dafür brauche ich noch Know-how im Umgang mit dem Gennaker… Zum Glück steht der morgen auf dem Programm.
Der blaue Riese und der Nurmi
Montagvormittag. Marina. Wir packen den Gennaker (blau, riesig) zuerst einmal komplett aus. Augenscheinlich ist der funkelnagelneu, grad, dass er keine Bügelfalten hat. Beim Gennaker muss natürlich alles anders heißen als normalerweise, sonst wär’s ja fad: Zum Kopf sagen wir „Head” (das geht ja noch), zum Schothorn „Clew”, zum Hals „Tack”. Dann packen wir den ganzen Ballon wieder ein und achten darauf, dass die drei eben gedolmetschten Ecken ganz oben im Sackerl liegen. Weil die brauchen wir jetzt gleich. Das ganze Paket vorn am Bug an die Reling. Los geht’s.
Zehn Minuten später ist es soweit. Rauf mit dem Riesen! Und schwuppdiwupp, steht der Ballon vor unserem Schiff, das auf einmal abdüst wie der Nurmi, obwohl der Wind mit gerade mal sechs Knoten daherkommt. Bist du deppat, notiere ich in mein geistiges Logbuch, warum hab ich das nicht schon viel früher gelernt? Drei Halsen später geht’s den anderen Trainees offenbar ähnlich. „Bei unseren Familientörns war der Gennaker nicht das Segel erster Wahl — bis jetzt”, sagt Edith Weiser, und Ehemann Roland ergänzt: „In Zukunft werden wir den Gennaker einsetzen.”
Schuld an dieser Haltungsänderung ist natürlich der Markus. „Der Mann strahlt eine Ruhe aus”, sagt Matthias Zimmermann, „die ist ansteckend. Und er greift nur ein, wenn es wirklich notwendig ist. In dieser Atmosphäre lernst du und fühlst du dich gleichzeitig sicher.”
Dass das kein leeres Gerede ist, zeigt sich am folgenden Tag…
Cool bleiben im Gennaker-Bad
Dienstag. Irgendwo zwischen Murter und Biograd. Es segelt ein Gennaker sanft auf die Wasseroberfläche und nimmt ein kühlend Bade. „Ruder backbord”, sagt Dr. Trimm (ohne Rufzeichen), „Tack-Leine fieren. Gennaker bergen.” Bei der Halse hat sich der Schäkel des Heads gelöst. Auf manch anderem Schiff wäre jetzt Schnappatmung angesagt. Bei uns nicht. Wir ziehen den Ballon aus dem Wasser, packen ihn ein — und setzen ihn wieder. „Damit er gut trocknen kann”, scherzt der Harry Vogler mit pirateskem Grinsen.
Denn wir sind eine hartgesottene Truppe gesalzener Kap-Horner mittlerweile, keine Frage, und damit’s noch einmal spannend wird, bergen wir den Gennaker und gehen auf Hart am Wind, heeeyoh, und kreuzen geschlagene drei Mal den Kurs eines Trawlers, der auf viel kürzerem Wege, weil direttissimo gegen das Himmelskind anstampft. So schnell führen wir die „January” inzwischen und sind dabei cooler als der Southern Ocean, als wir das Boot an die nächste Crew des OSYC-Segeltrimmtrainings übergeben:
„Super Boot, Leute, super Skipper“, raunen wir den Neulingen zu.
Ein Funkspruch auf WhatsApp
Die wundern sich wahrscheinlich, wie man nur so saucool sein kann wie wir. Doch wenige Tage später erreicht uns ein Funkspruch auf WhatsApp, der belegt, dass es auch sie jetzt voll erwischt hat:
„Vielen Dank an Markus, The Master and King of the sailing universe (best teacher ever 😉 und seine liebe Sailingqueen Renate! Grüße an Harry, den chilligen Tiroler Diamanten. Dein verschmitztes Lächeln lässt die Wellen brechen. Dank an Herbie Hancock, für das Rodeo und die Filmreifen Stunts auf der Schiffskante (die Pulka-Feuerwehr hätte eine Freude mit dir), du wirst es noch weit bringen beim Segeln, Herr Steuer Pirat (dein Musik-Geschmack sei dir deshalb verziehen).
Danke an den genialen lieben dr. GÜ bro, dein Omelett sprengt die Chemie (Speck nach dem Ei-Rösten hat bestimmt mehr Proteine 😉 Alles in allem drei fantastische Tage Segel Abenteuer!
Fair winds! Andrea & Michael“
Fährst du noch – oder segelst du schon?
Fazit: Wer das nächste Mal beim Segeln den Unterschied zwischen „irgendwie fahren” und „richtig segeln” hautnah erleben möchte, sollte die Augen nach dem Trimmtraining des OSYC-Regattateams offenhalten. Denn wie wir gelernt haben: Ein richtig getrimmtes Segel ist nicht nur effizient – es macht auch verdammt viel Spaß.
Alexander Müller-Macheck
für das OSYC Regatta-Team