Gezeitentörn 2017
Von St. Malo an der französischen Nordküste bis ins südenglische Segeleldorado, den Solent und die Isle of Wight, und wieder zurück führte der ÖSYC Gezeitentörn 2017. Die Kanalinseln lagen auf dem Weg und der Ärmelkanal musste in beide Richtungen überquert werden.
In St. Malo standen für den Törn zwei SO 379 –„Jazz“ und „Teeyah III“ – mit zwei Rudern und einem Hubschwert bereit. Teil 1 des Törns führte von St. Malo nach Southampton und nach Crewwechsel in Southampton führte Teil 2 des Törns wieder zurück nach St. Malo.
Von Southampton nach St. Malo auf der SO 389 „Teeyah III“ vom 19. bis 29. Juli 2017
Dienstag 18. Juli: Anreisetag
Nach dem Eintreffen der Mannschaft: Skipper Peter, Co-Skipper Karl, Margarita, Elisabeth, Gerhard und Hannes, erfolgt die Übernahme des Bootes durch Roman, den Skipper der vorherigen Crew., in der Marina Shamrock Quay in Southampton und verläuft reibungslos. Die sehr begrenzten Staumöglichkeiten in den Kabinen versetzen unserer Freude über das neue Schiff einen leichten Dämpfer – aber irgendwie geht sich dann doch alles aus. Unser Schwesterschiff Jazz hat uns gegenüber auf der anderen Seite des Steges festgemacht. Nach einem lustigen, angenehmen gemeinsamen Abend aller Teilnehmer im Restaurant der Marina wird noch die Planung für den nächsten Tag gemacht. Diese ist rasch erledigt: unser erstes Ziel heißt Portsmouth.
Mittwoch 19. Juli: Southampton – Portsmouth, 19 sm, 15 sm unter Segel
Im Gegensatz zum sonnigen und warmen Vortag wird das englische Wetter heute seinem Ruf gerecht – bedeckt und grau, ab und zu nieselt es leicht. Der Wetterbericht sagt SW mit 18 -22 Knoten vorher, die Wolken sollen am Nachmittag aufreißen. Auf einen Tipp der Schwestercrew hin kaufen wir im Fischladen der Marina noch frischen Fisch fürs Abendessen, bevor wir bei schwachem Wind aus der Marina auslaufen. Nach der Querung des Southampton Waters setzen wir Segel. Hier im Solent haben wir schönen Segelwind, mit dem 1. Reff im Groß und passend gereffter Genua sind wir auf halbem Wind gut unterwegs. Eine Regatta kreuzt unseren Weg. Wir bemühen uns die Seglerkollegen nicht zu behindern, was uns leider nicht ganz gelingt. „Das ist Regattaschicksal“ beruhigt unser regattaerfahrener Skipper. Nach ca. 4 Stunden Segeln machen wir am Außensteg der Gunwharf Marina in Portsmouth längsseits fest – direkt unter dem Spinnaker-Tower. Beim anschließenden Landspaziergang genießen wir unser „Five o’clock“ Bier/Kaffee tatsächlich bei Sonnenschein im Garten des „Still & West“ mit Blick auf Spinnaker Tower und Historical Dockyards. Zurück auf dem Boot machen sich die Köche(Innen) ans Werk. Das Fischmenü gelingt gut und wir verbringen einen gemütlichen Abend an Bord.
Donnerstag 20. Juli: Portsmouth – Cowes (Isle of Wight), 23 sm, 21 sm unter Segel
Unser heutiges Tagesziel ist Cowes an der Nordküste der Isle of Wight. Ein Besuch dieser „Seglerstadt“ ist ein absolutes Muss für jeden, der in diesem Revier segelt.
Die Distanz nach Cowes ist relativ kurz. Wir können uns daher einen freien Vormittag leisten und erst zu Mittag auslaufen. Ein Teil der Crew nutzt den Vormittag zur Besichtigung der „HMS Victory“, dem Flaggschiff von Lord Nelson in der Schlacht von Trafalgar. Das Schiff und die damit erbrachten Leistungen – sehr beeindruckend!
Bei trübem Wetter und frischem NW-Wind legen wir wie geplant kurz nach Mittag ab. Bei sich steigerndem NW-Wind kreuzen wir mit deutlich gerefften Segeln gegen die zunehmende Welle und vermehrt auch Strömung gegenan und sind nach gut 4 Stunden vor der Einfahrt nach Cowes angekommen. Wir machen etwas später in der landeinwärts im Fluss Medina gelegenen East Cowes Marina fest. Dort ist es ruhiger und man kommt in die Altstadt sehr einfach mittels einer Kettenfähre.
Freitag 21. Juli: Ruhetag in Cowes
Die Wettervorhersage ist schlecht – Starkwind und Regen – und wir entschließen uns, den Tag für eine Inselrundfahrt dem den öffentlichen Bussen mittels günstigen Tagesticket zu nützen.
Samstag 22. Juli: Cowes – Yarmouth, 13,2 sm, 11,7 m unter Segel
Wir legen um 10.00 Uhr mit Ziel Yarmouth ab, motoren bis das Breakwater in der Hafeneinfahrt hinter uns liegt und setzen Segel. Hier vor Cowes zeigt sich eindrucksvoll welche Bedeutung der Segelsport hier hat: Segelboote wohin man schaut, in unterschiedlichster Größe und Bauart, und viele davon sind in einer Regatta unterwegs oder kurz vor einem Start dazu. Wie bei uns das Schifahren!
Wir bewegen uns gut zwischen den Regattabooten und stellen fest, dass wir mit einigen Teilnehmern fast mithalten könnten – streckenweise sind wir sogar besser unterwegs. Bei zunehmend böigem Wind von 5 Bft aus SW und Regen fällt es leicht auf den angedachten Abstecher zum Newton River zu verzichten. Nach bereits knapp 2 Stunden legen wir in der St. James Marina in Yarmouth an. Wahrscheinlich des schlechten Wetters wegen läuft eine Yacht nach der anderen ein, der Platz wird knapp und kurz bevor wir zum Landgang aufbrechen, macht ein Boot längsseits bei uns fest. Da wir morgen sehr früh auslaufen, bieten wir der Nachbarcrew an, uns nach außen umzulegen. Nach dem Umhängen machen wir uns auf in den Ort, kehren aber bald wieder, nach einem kleinen Snack in einem Cafehaus, zurück auf das Boot. Dort widmen wir uns der detaillierten Planung der Kanalüberquerung.
Sonntag 23. Juli: Yarmouth – Braye (Aldernay), 72 sm, 65 sm unter Segel
Für heute steht die Kanalüberquerung am Programm und aufgrund der Wettervorhersage, des herrschenden Windes (W-SW, 4-5 Bft) und der Strömungsverhältnisse laufen wir bereits um 04.00 Uhr aus und passieren die berühmten Needles um 05.15 – der Wind weht jetzt mit 3 Bft und wir segeln am Wind in Richtung Südwesten. Zum ersten Mal seit Beginn des Törns strahlt die Sonne von einem nahezu wolkenlosen Himmel. Der Wind legt im Laufe des Vormittags zu, bei 5 Bft binden wird das 1. Reff ins Groß. Die Wellen werden höher und länger und es ist ein schönes Gefühl so auf dem „großen“ offenen Meer dahin zu rauschen. Große Schiffe begegnen uns weniger als erwartet, etliche sehen wir nur am Horizont auftauchen und wieder verschwinden. Seit dem Segelsetzen fahren wir auf demselben Bug hart am Wind und gemäß unseren Berechnungen liegen wir kurs- und zeitmäßig im Plan. Nach ca.12 Stunden Segeln kommen wir kurz vor 17.00 Uhr in der Einfahrt von Braye Harbour (Alderney) an, können wie geplant bei günstigen Strömungsverhältnissen einlaufen, bergen die Segel und machen an einer der fix ausgelegten Bojen fest. Der aufgezeichnete Track zeigt die wechselnden Strömungsverhältnisse im Kanal und bestätigt unsere Berechnungen – wir sind bei annähernd gleichbleibendem Kompasskurs wegen der vorherrschenden Strömungen ein schönes „S“ gefahren (siehe Abbildung).
Wir kochen wieder an Bord und ziehen uns nach dem Abendessen alle recht bald in die Kojen zurück, denn es war ein langer Tag.
Montag 24. Juli: Braye (Alderney) – St. Peters Port (Guernsey), 32 sm, 24 sm unter Segel
Am Montag nutzen wir den Vormittag für die Besichtigung von St. Anne, dem einzigen Ort auf Alderney. Wir spazieren durch die mit Kopfstein gepflasterten Gassen von St. Anne und bewundern die hübschen, mit Blumen verzierten Häuser. Am Weg zurück, erfahren wir, dass es am Nachmittag sonniger sein wird – Nachsatz: „this is just a forecast, not a promise!“ Wir finden die Formulierung für die englischen Verhältnisse so passend, dass sie für den Rest des Törns zum „running gag“ wird.
Beim Ablegen haben wir westlichen Wind, fahren in Richtung Osten weg, drehen dann nach Süden, kämpfen uns am Blanchard Rock vorbei und segeln dann bei 4-5 Bft am Wind in Richtung Guernsey. In The Race of Alderney erreichen wir mit Unterstützung durch den Strom eine Spitzengeschwindigkeit von 14,7 (!) Knoten! – Skipper Peter ist begeistert. Kurz vor St. Peters Port dann die Kehrseite der Strömung: es erwischt uns leider ein ungünstiger Strom, der so nicht in den Stromtabellen ersichtlich ist, und so kämpfen wir uns mühsam Richtung Stadt, die wir um 18. 00 Uhr erreichen.
Dienstag 25. Juli: St. Peters Port (Guernsey)– Herm – St. Helier (Jersey), 31 sm, 26 sm unter Segel
Der morgendliche Blick den Niedergang hoch zeigt blauen Himmel und Sonnenschein. Nach dem Frühstück schwärmen wir zur Stadtbesichtigung aus. Wir haben Ausgang bis 11 Uhr, denn wir müssen tidenbedingt vor Mittag auslaufen. Unsere heutige Route führt uns zur östlich von Guernsey gelegenen Insel Herm und danach nach St.Helier auf Jersey. Vor der Insel Herm legen wir einen Stopp ein, genießen die Sonne (Gerhard wagt sich sogar für ein paar Tempi ins sehr kühle Wasser) und beobachten, wie sich das Wasser zurückzieht, rund um uns immer mehr Felsinseln aus dem Wasser kommen und manche der vor Anker liegenden Boote trockenfallen. Unser ÖSYC-Schwesterschiff Jazz kommt ebenfalls in die Bucht und geht kurz bei uns „für ein Plauscherl“ längseits.
Wir müssen aber bald wieder Richtung Jersey ablegen. Auf der Weiterfahrt zeigt sich eindrucksvoll die Kraft der Gezeitenströme als wir auf Höhe der Insel Sark einige heftige Overfalls durchqueren. Das sonnige Wetter hält leider nicht an, dafür ist uns aber wieder schöner Segelwind gegönnt von 5-6 Bft.
Um 19 Uhr machen wir im Hafen von St. Helier fest.
Wir genießen unser Bordmenü und verbringen den Abend bei ein paar Gläschen Wein und angeregter Diskussion.
Mittwoch 26. Juli: St.Helier, Schlechtwettertag
Heute ist wieder Schlechtwetterprogramm angesagt – in St. Helier ist es grau in grau und es regnet immer wieder. Wir verbringen den Tag daher mit Sightseeing und Einkaufen. Am Abend haben wir für das gemeinsame Abendessen mit unserer Schwestercrew ein schönes Lokal: „Cock&Bottle“, gefunden, in dem wir nicht nur einen großen Tisch, sondern auch das zugehörige Zimmer für uns alleine haben. Beim Essen gibt es wieder viel zu erzählen und das Erlebte auszutauschen.
Donnerstag 27. Juli 2017: St. Helier (Jersey) – Iles Chausey (Frankreich), 27 sm; 23,5 sm unter Segel
Früher als in den letzten Tagen laufen wir am Morgen aus. Unser Ziel sind die lles Chausey, ein Insel- und Felsenarchipel zwischen Jersey und der Normandie, in dem bei Niedrigwasser weite Teile trockenfallen. Wir wollen nicht trockenfallen, sondern an einer der vor der Grand lle, der Hauptinsel des Archipels, ausgelegten Bojen festmachen. Auf Halbwind- und später dann Vorwindkurs, der wellenbedingt etwas unangenehm zu fahren ist, treffen wir am frühen Nachmittag im Kanal östlich der Grande Ile ein. Wir machen Heck und Bug an je einer Boje fest, um in der kenternden Strömung besser zu liegen. Bei Niedrigwasser haben wir dann gerade noch 50 cm Wasser unter dem Kiel. Wir beobachten fasziniert, dass mit der gewaltigen Tide – mit bis zu 12 Metern eine der höchsten in Europa – einhergehende Naturschauspiel: Im Verlauf von 6 Stunden verwandelt sich eine Meeresbucht in ein trockenes Becken und ebenso schnell wieder zurück.
Freitag 28. Juli 2017: Iles Chausey – St. Malo, 30 sm, 25 sm unter Segel
Da wir bereits um 14.00 Uhr das Boot übergeben müssen, starten wir am Freitag schon um 07.00 Uhr. In der Morgendämmerung fahren wir an den zahlreichen Seezeichen im Kanal vorbei, die jetzt – es ist kurz nach Niedrigwasser – alle im Trockenen auf den Felsen stehen und hoch aufragen. Ein gespenstisch schöner Anblick. Ein paar Wolkenlöcher, die einen Blick auf die aufgehende Sonne gewähren, schließen sich rasch und der Himmel bleibt grau und bewölkt. Wir kämpfen uns bei 5 Bft aus SW mit dem 1. Reff im Groß und auch entsprechend kleinerer Genua hart am Wind, gegen Strom und Welle nach St. Malo. Anfangs matchen wir uns mit der Jazz, die gleichzeitig mit uns auslief, aber bald trennen sich unsere Kurse. Zu Mittag entschließen wir uns, den Motor zu Hilfe zu nehmen, denn die Zeit wird knapp. Um 13.25 Uhr machen wir in St. Malo fest und können rasch und problemlos das Boot wieder an den Vercharterer übergeben.
Den Abend verbringen wir wieder bei einem gemeinsamen Abendessen mit der Crew des Schwesterschiffes und können viele tolle Erlebnisse Revue passieren lassen, die uns 10 herrliche Segeltage bei zurückgelegten 247 sm, davon 215 unter Segel, gebracht haben.
Ein spannender und interessanter Segeltörn in einem außergewöhnlichen Revier ist zu Ende. Sicher hat jeder von uns seine ganz persönlichen Highlights erlebt, was wir aber alle mitnehmen ist die Erfahrung, dass in diesem Revier die Gezeiten und die damit zusammenhängenden Strömungen die maßgeblichen und entscheidenden Kriterien bei der Planung eines Törns sind.
Elisabeth Novak